Verzeichnisse aus der Schutzjudenzeit vor 1812

Einführung

Es war dem preußischen Staat bereits frühzeitig daran gelegen, die in einzelnen Landesteilen lebenden Juden zu erfassen und die Entwicklung der jüdischen Bevölkerung regelmäßig zu verfolgen. Auflistungen von Judenfamilien aus Berlin und Frankfurt an der Oder sind bereits aus den Jahr 1688 bekannt. Sie belegen, dass bereits 17 Jahre, nachdem die Juden sich wieder offiziell in Brandenburg niederlassen durften, ein entsprechendes Berichtswesen bestand.1

Der Informationsgehalt beider Verzeichnisse ist aus Sicht eines Familienforschers beschränkt, da nur jeweils ein Mitglied der ansässigen jüdischen Familien genannt wurde.2 Es handelte sich bis auf eine Ausnahme (eine Witwe in Berlin) ausschließlich um Männer. Andererseits enthält die Frankfurter Liste Informationen, die man in anderen Aufstellungen nicht findet: die Herkunft eines Teils der Einwohner sowie ihren Beruf.

vergleitete Judenunvergleitete Juden
Moses Aron Frenkel
Salomon Marcus
Salomon WulfLehmann von Friedland
David AbrahamHerz Moses
Löbel SamsonVeith (Jude aus Prag)
Benedikt SalomonMichel Samuel von Friedland
Henoch FrenkelJacob, Schulmeister
Abraham Henoch Henning Simon
Elias SalomonSalomon Samson
Daniel SamuelSalomon Isaac
Samuel SalomonSalomon (Jude aus Polen)
Levia JacobJoseph (Jude aus Meseritz)
Salomon SamsonIsaac, Schulmeister
Jacob IsaacDavid, Schulmeister
LobellElias Levin
Marcus BenedictIsrael Lazarus
Marcus LazarusHerz David
Moses LevinMoses, Schneider
Philip MarcusMoses
Isaac AbrahamJoseph, Petschierstecher
Jacob AbrahamJesel Jacob
Salomon, Schneider
Salomon, Schlächter
Aaron, Schneider

Abb. 1: In Frankfurt an der Oder lebende Juden (1688)
Quelle: STERN, Selma: Der Preußische Staat und die Juden. 1. Teil. 2. Abteilung, S. 527

Die Namensliste der jüdischen Bevölkerung von Frankfurt an der Oder ordnet die aufgelisteten Personen anhand ihres Rechtsstatus zwei unterschiedlichen Kategorien zu:

  • Juden mit einem Schutzbrief 3 – sogenannte „vergleitete“ Juden“ – hatten unter anderem das Recht, sich an einem ihnen zugewiesenen Ort niederzulassen.
  • „Unvergleitete“ Juden dagegen besaßen keinen Schutzbrief und damit auch nicht das in ihm verbriefte Niederlassungsrecht.4

Erhebungen zum Stand der jüdischen Bevölkerung zu verschiedenen Zeitpunkten gegen Ende des 17. Jahrhunderts belegen, dass sich zahlreiche Juden ohne rechtliche Grundlage in den Jahrzehnten nach Erlass des Edikts von 1671 in der Mark Brandenburg angesiedelt hatten.5

Die Erfassung jüdischer Einwohner erfolgte nicht nur in Brandenburg, sondern auch in anderen Teilen Preußens. So verweist LAUX auf eine Aufstellung aus dem Herzogtum Kleve aus der Zeit um 1700, in der die ansässigen jüdischen Familien einzeln aufgelistet und zudem teilweise Informationen zu deren wirtschaftlichen Lage und ihren beruflichen Aktivitäten erfasst wurden6. Bei STERN findet sich eine zur gleichen Zeit entstandene detaillierte Aufstellung der in Halberstadt lebenden Juden mit den Rubriken Eigen Haus, Stuben, Mann, Frauen, Kinder, Gesinde.7

Das der preußische Staat zudem Interesse daran hatte, über alle Veränderungen im Personenstand der im Land ansässigen Juden informiert zu werden, lässt sich daran erkennen, dass8

  • bereits 1716 die Judenältesten angewiesen wurden, Todesfälle zu melden.
  • man im Jahr 1722 verordnete, dass jeder Jude vor seiner Hochzeit eine Genehmigung einzuholen habe.

Wer sich ein Bild davon möchte, in welcher Form die jüdische Bevölkerung einzelner Ortschaften während der Schutzjudenzeit, die in Brandenburg nach rd. 140 Jahren mit dem Emanzipationsgesetz von 1812 endete, vom preußischen Staat erfasst und kontrolliert wurde, findet hierfür eine Vielzahl von Beispielen im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz (GSTA PK), dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv, den Sammlungen von Selma STERN und Jacob JACOBSON im Leo Baeck Institute (New York) sowie in der Fachliteratur. Bei den in diesem Beitrag angesprochenen Verzeichnissen handelt es sich ausschließlich um solche, die Genealogen online zur Verfügung stehen.

Verzeichnisse aus dem 18. Jahrhundert

Forscher begegnen im 18. Jahrhundert einer Vielfalt der Darstellungsformen von Judenverzeichnissen, wie die folgenden Beispiele aufzeigen. Abb. 2 basiert auf einer Namensliste, die der Stern-Taeubler Collection im Archiv des New Yorker Leo-Baeck-Institute9 entnommen wurde. Sie weist die bereits aus Abb. 1 bekannte Aufteilung der Bevölkerung in vergleitete und unvergleitete Juden auf und bietet keine Informationen zu Familienangehörigen.

Ortvergleitete Judenunvergleitete Juden
Tangermünde Levin Jacob Joseph
KyritzLevin Simon
HavelbergLevin Ascher
WittstockMarcus Meyer
BrandenburgDavid Samuel
Simson Jacob
Israel Jacob
Juda Jacob Michael
Nathan David
Benjamin Davids Witwe
RathenowJacob David
Levin Moses
Moses Levin
Moses Jacob
NauenJochim Marcus
Salomon Marcus
SpandauJoseph Abrahams Witwe
Salomon Israels Witwe
KremmenMeyer AbrahamLevin Hirsch, Totengräber
FrisackIsaak Jacob
David Abraham

Abb. 2: Vergleitete und unvergleitete Juden in Ortschaften der Kurmark (Auszug, 1728)
Quelle: Leo Baeck Institute: Selma Stern-Taeubler Collection (AR 7160 / MF 479)

Das Verzeichnis Berliner Juden aus dem Jahr 1749 (Abb. 3) liefert bereits deutlich mehr Erkenntnisse, in dem es nicht nur die Namen des Schutzjuden, sondern auch den Namen und das Alter seiner unverheirateten Kinder nennt. Weiterhin werden in der Aufstellung die Anzahl und Art der vom Hausherrn beschäftigten Bediensteten erfasst.

Abb. 3: Juden in den Residenzstädten Berlin und Cölln, Februar 1749
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep.104 IV A Nr. 048

Während es sich bei den bisher vorgestellten Verzeichnissen um Erfassungen zu einem bestimmten Zeitpunkt handelt, bieten Judenlisten, die in der 2.Hälfte des 18. Jahrhundert für Berlin und alle Ortschaften der Kurmark und der Neumark kontinuierlich geführt wurden, einen Einblick darin, wer sich innerhalb eines Zeitraums von mehreren Jahrzehnten an einem Ort legal aufgehalten hatte. Die Aufstellungen unterscheiden sich von den bisher in Auszügen abgebildeten dadurch, dass die jüdische Bevölkerung eines Ortes von den Verfassern den Kategorien Ordinari, Extraordinari und Publique Bediente zugeordnet wurde.

Die Begriffe Ordinari, Extraordinari und Publique Bediente gehen auf das Generaljudenprivileg von 1750 zurück. Der Rechtstatus dieser zahlenmäßig wichtigsten Gruppen unter der Judenschaft wurden von TERLINDEN in einem 1804 erschienenen Buch, das die Grundsätze des Judenrechts in den Preußischen Staaten behandelte, im Detail beschrieben und lässt sich wie folgt zusammenfassen:

Ordinari (Ordentliche Schutzjuden)10

  • Ordentliche Schutzjuden hatten das Recht, sich an einem Ort auf Lebenszeit niederzulassen und eines ihrer Kinder (Sohn oder Tochter) „anzusetzen“, d.h. das ihnen zugestandene Privileg auf dieses zu übertragen. Das Kind musste allerdings über ein Vermögen von 1.000 Reichstalern verfügen.
  • Das angesetzte Kind durfte heiraten, soweit der Ehepartner oder die Ehepartnerin wohlhabend war.
  • Ab 1763 konnte auch ein zweites Kind angesetzt werden, vorausgesetzt, es verfügte über Vermögen und war besonders geschäftstüchtig.
  • Ein ordentlicher Schutzjude hat das Recht, alle seine Kinder zu seinen Lebzeiten bei sich zu behalten.

Extraordinari (Außerordentliche Schutzjuden)11

  • Zu dieser Gruppe gehörten alle Kinder eines ordentlichen Schutzjuden, die nicht vom Vater zu dessen Lebzeiten angesetzt worden waren und denen nach dessen Tod ein außerordentlicher Schutz gewährt wurde. Um einen außerordentlichen Schutz zu erhalten, mussten sie allerdings über 1.000 Reichsthalern Vermögen verfügen.12
  • Dieser Personenkreis wurde auf Lebzeiten im Land geduldet, konnte aber keine Kinder ansetzen oder verheiraten.
  • Kinder, die nicht über das notwendige Vermögen verfügten, durften unter der Voraussetzung im Land bleiben, dass sie eine Tätigkeit für einen anderen Juden oder eine jüdische Gemeinde aufnahmen.
  • Weiterhin wurden dieser Gruppe Witwen zugerechnet, die nicht das ordentliche Schutzrecht ihres Mannes geerbt hatten.

Publique Bediente13

  • Die Gruppe der Publique Bedienten umfasste Angestellte jüdischer Gemeinden. Welche Tätigkeiten zulässig waren, wurde im Judenreglement von 1750 einzeln aufgeführt (§ III); ebenso, wie viele Angestellte eine Gemeinde maximal haben konnte.
  • Publique Bediente genossen vergleichbare Rechte wie außerordentliche Schutzjuden.

Abb. 4 a: Ordentliche Schutzjuden in Königsberg (Neumark) von ca. 1760 bis 1800
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep.104 IV C Nr. 235 C

Abb. 4 b: Außerordentliche Schutzjuden in Königsberg (Neumark) von ca. 1760 bis 1800
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep.104 IV C Nr. 235 C

Abb. 4 c: Publique Bediente in Königsberg (Neumark) von ca. 1760 bis 1800
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep.104 IV C Nr. 235 C

Verzeichnisse vom Anfang des 19. Jahrhunderts

Die umfangreichsten Informationen zu brandenburgischen Juden liegen für den Zeitraum 1800 bis 1809 vor. Die Verzeichnisse vom Anfang des 19. Jahrhunderts werden im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz im Bestand Generalfiskalat (I. HA Rep. 104) aufbewahrt und können online eingesehen werden. Sie werden teils als Listen, teils als Tabellen bezeichnet, soweit sie die Kurmark betreffen. Aufschreibungen aus der Neumark aus diesem Zeitraum werden zudem in Einzelfällen auch unter den Namen Generaljudenliste und Generaljudenfamilientabelle geführt. Im Bezug auf Berlin werden die Begriffe Listen, Tabellen und Verzeichnisse verwendet.

Die Aufschreibungen enthalten Angaben zu jüdischen Familien, die in diesem Zeitraum legal in Brandenburg lebten. Weiterhin stehen Forschern Auflistungen mit Angaben zu Geburten, Trauungen und Sterbefällen (Kurmark), Häusern von Schutzjuden (Kurmark, Neumark, Berlin), bei Schutzjuden lebenden Brüder und Schwäger (Kurmark), Dienern von Schutzjuden (Kurmark) sowie Verzeichnisse naturalisierter Mitglieder der jüdischen Gemeinde (Berlin) zur Verfügung.

Welchen Zweck hatte dieses umfangreiche Berichtswesen? TERLINDEN beschrieb seinen Zweck im Jahr 1804 wie folgt 14 :

„Damit dem Einschleichen fremder verdächtiger und unvergleiteter Juden vorgebeugt und die gesetzwidrige Vermehrung der Judenfamilien in den Preußischen Staaten vermieden werden möge, auch die angesetzten Juden unter genauer Aufsicht gehalten werden mögen, sind in den Preußischen Staaten gewisse Anstalten getroffen, wodurch dieser doppelte Zweck erreicht werden kann“.

Bei den Aufschreibungen aus den Jahren 1800 bis 1809 handelt es sich um Vorgänger der Judenregister, die von 1812 bis 1847 von der Polizei-Obrigkeit (in Städten) oder dem Landrat des Landkreises (auf dem Lande) geführt werden mussten und Angaben zu Geburten, Hochzeiten, Scheidungen und Todesfällen unter der jüdischen Bevölkerung enthielten.15

Aus Sicht eines Familienforschers sind die „Listen von den Judenfamilien“ von besonderem Wert. Da das Berichtswesen an der seit 1750 geltenden Judenordnung orientiert war, erfährt man nicht nur die Namen und das Alter der Einwohner, sondern kann aus den Listen auch vieles über das Leben der erfassten Personen ableiten, beispielsweise, ob ihnen die Möglichkeit offenstand, zu heiraten oder ob sie lebenslang an ihrem Wohnort bleiben durften.

Neumark

Das letzte vollständige Verzeichnis jüdischer Familien mit Wohnsitz in der Neumark im GSTA PK stammt aus dem Jahr 1805 und umfasst insgesamt 31 Ortschaften. Für den Zeitraum 1806 bis 1810 liegen lediglich Listen vor, die entweder jeweils getrennt nur einen Teil der Neumark oder ausschließlich eine einzige Stadt erfassen.

Die Verzeichnisse der Neumark beinhalten folgende Informationen:

  1. Namen und Alter „ordentlicher“ und „außerordentlicher“ Schutzjuden sowie „Publique Bedienter“
  2. Namen und Alter ihrer Ehefrauen
  3. Namen und Alter der Kinder. Bei ordentlichen Schutzjuden wurde zwischen angesetzten und übrigen Kindern unterschieden.
  4. Schutzbriefe, Konzessionen und sonstige Rechte, die eine Person besaß
  5. Sonstige, sich im Haushalt befindliche Personen wie beispielsweise Knechte, Mägde, Verwandte und Schulmeister
  6. Hausbesitz und dem Lebensunterhalt dienende Tätigkeiten
  7. Höhe jährlicher Schutzgeldzahlungen und sonstiger Abgaben

Abb. 5 a: Judenfamilien in Königsberg (Neumark) im Jahr 1800 (Teil 1)
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep 104 IV C Nr. 146

Abb. 5 b: Judenfamilien in Königsberg (Neumark) im Jahr 1800 (Teil 2)
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep 104 IV C Nr. 146

Kurmark

Die Verzeichnisse jüdischer Familien, die ihren Wohnsitz in der Kurmark (Zeitraum 1800 bis 1809) hatten, enthalten Angaben zu 51 Orten (ohne Berlin). Der Informationsgehalt der Verzeichnisse ist geringer als derjenigen der Neumark, denn es fehlen Angaben zu den Ehefrauen von Schutzjuden und Publique Bedienter, ebenso zu sich im Haushalt befindliche Personen, dem Hausbesitz und dem Lebensunterhalt dienende Tätigkeiten sowie Höhe jährlicher Schutzgeldzahlungen und sonstiger Abgaben. Ehefrauen werden in den Verzeichnissen allerdings dann namentlich erwähnt, wenn ihr Ehemann verstorben war und das Schutzrecht nach seinem Tod auf die Witwe überging.16

Abb. 6: Ordentliche und außerordentliche Schutzjuden in Strausberg (Auszug, 1800)
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep 104 IV C Nr. 145

Nutzung der Verzeichnisse für Forschungszwecke

Einer der 21 ordentlichen Schutzjuden, die im Jahr 1800 in Potsdam lebten, war der 55-jährige Behrend HERTZ .17  Seine beide Kinder, der Sohn David (23 Jahre alt) und die Tochter Mindel (29 Jahre alt), wurden in der Rubrik  der Judenliste erfasst, in der nicht privilegierte Kinder ordentlicher Schutzjuden notiert waren.18 Zu diesem Zeitpunkt hatten nur drei der ordentlichen Schutzjuden der Stadt ein Kind „angesetzt“.19

Abb.7: Der Schutzjude Behrend HERTZ und seinen beiden Kinder, Potsdam 1800
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep 104 IV C Nr. 145

Hinweis:

Im Berichtswesen der Jahre 1800 bis 1809 tauchen verschiedene Schriftweisen der Namen von Vater und Sohn auf: BEHREND und BEREND sowie HERTZ und HERZ. Im weiteren wird die Schriftweise des jeweiligen Dokuments verwendet.

Zur Vorgeschichte der Familie HERTZ ist dem Verzeichnis nur wenig zu entnehmen. Wir erfahren lediglich. dass der Vater 1745 geboren wurde und seine Kinder 1771 und 1777 zur Welt kamen. Geburtsorte oder der letzte Wohnort werden nicht genannt. Zur Ehefrau von Behrend HERTZ fehlen jegliche Informationen.

Der Rechtsstatus von David HERZ 20 änderte sich einige Jahre später, als er von seinem Vater „angesetzt“ wurde. Es ist zu vermuten, dass dieser Wechsel im Rechtstatus vorgenommen wurde, da David die Absicht hatte, in Kürze zu heiraten. Die Heirat fand 1805 statt. Informationen zum Brautpaar finden sich in einer gesonderten Judentabelle, die ausschließlich Geburten, Hochzeiten und Todesfälle dokumentiert.

Abb. 8: Hochzeit von David HERZ und Jellchen HILDESHEIMERr, Potsdam 1805
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep. 104, IV C Nr. 013

Den Aufzeichnungen ist zu entnehmen, dass David die Tochter des Schutzjuden Abraham HILDESHEIMER aus Braunschweig namens Jellchen zur Frau nahm und das Paar sich entschied, in Potsdam zu bleiben.

In den nächsten drei Jahren hatte das Ehepaar zwei Kinder: Jacob Herz David und Beile. Beide wurden in der Judentabelle von 1809 als sonstige Kinder ordentlicher Schutzjuden geführt. Davids inzwischen 38-jährige Schwester Mindel war zu diesem Zeitpunkt weiterhin unverheiratet.

Abb. 9: Darstellung der Familie HERZ / BEHREND im Verzeichnis des Jahres 1809
Quelle: Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz: I. HA Rep. 104, IV C Nr. 107

Behrend HERZ und sein Sohn David BEHREND wurden nach der Verabschiedung des Emanzipationsgesetzes vom 11. März 1812 preußische Staatsbürger. Der Vater nahm den festen Familiennamen HERZBACH an, während der Sohn seinen bisherigen zweiten Namen in der Schreibweise BEHREND zum Familiennamen machte.21

Abb. 10: Namen von Behrend HERZ und David BEHREND als preußische Staatsbürger
Quelle: Beilage zum 40sten Stück des Amtsblatts der Königl. Kurmärkischen Regierung, Potsdam 1814

Hilfestellungen auf der BGG-Website

Wir bieten allen Forschern, die sich mit Juden beschäftigen, die zwischen 1800 und 1809 in der Kurmark und der Neumark lebten, zwei durchsuchbare Datenbanken als Hilfestellung an.

Kurmark

Die Datenbank zur Kurmark basiert auf im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrten Verzeichnissen, die personenbezogene Daten aus 51 kurmärkischen Ortschaften enthalten. Die Verzeichnisse aus dem Jahr 1809 sind unseres Wissens die letzten Aufstellungen dieser Art aus der Schutzjudenzeit.

Die Datenbank beinhaltet die Namen und das Alter

  • ordentlicher und außerordentlicher Schutzjuden
  • angesetzter Kinder ordentlicher Schutzjuden
  • Angestellter der Jüdischen Gemeinde
  • Beschäftigter der hebräischen Druckerei in Frankfurt/Oder

Zudem wurden Angaben zur Anzahl der Kinder, Diener, Brüder und Schwäger erfasst; weiterhin, ob ein Schutzjude ein Haus besaß.

Neumark

Die Datenbank zur Neumark beruht auf im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrten Verzeichnissen, die personenbezogene Daten aus 31 Ortschaften der Neumark enthalten und in den Jahren 1803 – 1805 erstellt wurden. Ein Teil dieser Verzeichnisse enthält Angaben zur gesamten Neumark, während andere nur jeweils Teilbereiche des Gebiets (Vorderkreise, Hinterkreise, Inkorporierte Kreise) erfassen.

Die Datenbank beinhaltet Namen und Alter

  • ordentlicher und außerordentlicher Schutzjuden und deren Ehefrauen
  • angesetzter Kinder ordentlicher Schutzjuden und deren Ehefrauen
  • Angestellter der Jüdischen Gemeinde und deren Ehefrauen

Zudem werden Angaben zur Anzahl der Kinder, Diener, Brüder und Schwäger erfasst; weiterhin, ob ein Schutzjude ein Haus besaß.

Fußnoten

1  Vgl. STERN, Selma: Der Preußische Staat und die Juden. 1. Teil. Die Zeit des Großen Kurfürsten und Friedrichs I., 2. Abteilung: Akten, Berlin 1925, S. 526 f.

2  Vgl. ebd.

3  Vgl. Glossar, in: Jüdisches Brandenburg, Geschichte und Gegenwart, hrsg. von Irene A. DIEKMANN, Berlin 2008, S. 656.

4 Vgl. ebd.

5  Vgl. KÖNIG, Anton Balthasar: Annalen der Juden in den preußischen Staaten besonders in der Mark Brandenburg, Berlin 1790, S. 127 f.

6  Vgl. LAUX, Stephan: Zwischen Anonymität und amtlicher Erfassung. Herrschaftliche Rahmenbedingungen jüdischen Lebens in den rheinischen Territorialstaaten vom 16.Jahrhundert bis zum Beginn der Emanzipationszeit. in: Jüdisches Leben im Rheinland, hrsg. von Monika GRÜBEL und Georg MÖLICH, Köln 2005, S. 99 f.

7  Vgl. STERN, Selma: Der Preußische Staat und die Juden, S. 531 – 535.

8  Vgl. HONIGMANN, Peter: Zur Kulturgeschichte der jüdischen Registratur, in: Jüdische Genealogie im Archiv, in der Forschung und digital, Quellenkunde und Erinnerung, hrsg. von Bettina Joergens, Essen 2011, S. 49.

9  Vgl. Leo Baeck Institute: Selma Stern-Taeubler Collection (AR 7160 / MF 479), Series II: Research, 1713-1799, Notes and Tables – Kurmark, Potsdam, 1724-1734, Nr. 204.

10  Vgl. TERLINDEN, Grundsätze des Judenrechts nach den Gesetzen für die Preußischen Staaten, Halle 1804, S. 70 – 80.

11  Vgl. ebd., S. 80 – 82.

12  TERLINDEN nennt in seinem Buch einen Betrag von 10.000 Reichsthalern, vermutlich ein Druckfehler. Vgl. Generaljudenreglement vom 16. April 1750, Abschnitt V 2.

13  Vgl. ebd., S. 83 – 87. Zu diesem Personenkreis gehörten u.a. Rabbiner, Schulmeister, Köller und Totengräber (Abb. 4 c).

14  Vgl. ebd., S. 110.

15  Vgl. MICHAELIS, Alfred: Die Rechtsverhältnisse der Juden in Preußen seit dem Beginne des 19.Jahrhunderts, Berlin 1910, S. 13 f.

16   In den Judentabellen finden sich sowohl Beispiele dafür, dass der Name der Witwe genannt wird, als auch, dass von ihr lediglich als Witwe des Schutzjudens X [Name des Verstorbenen] gesprochen wird. Im Todesfall wurden Frauen namentlich in einer gesonderten Judentabelle, die lediglich Geburten, Trauungen und Sterbefällen betraf, erfasst.

17  Vgl. GSTA PK, I HA Rep 104 IV C Nr. 145. In den verschiedenen Judentabellen der Jahre 1800 bis 1809 finden sich sowohl die Schreibweise Behrend als auch Berend.

18  Vgl. ebd.

19  Vgl. ebd.

21  Unter brandenburgischen Juden waren verschiedene Formen der Namensbildung üblich, bevor sie von Gesetz wegen ab 1812 einen festen Familiennamen annahmen. Dabei wählten sie häufig als zweiten Namen den Vornamen des Vaters aus. Vgl. HEIDENHAIN, Brigitte: Juden in Wriezen. Ihr Leben in der Stadt von 1677 bis 1940 und ihr Friedhof, Potsdam 2007, S. 24 f.

21  Vgl. Beilage zum 40sten Stück des Amtsblatts der Königl. Kurmärkischen Regierung, Potsdam 1814

Text

Klaus Boas (Forschungsgruppe „Juden in Brandenburg“)