Forschungsgruppe „Schweizer Kolonisten in Brandenburg ab 1685“
Koordinator: Aldo Hoffer
Für so manche Familie im Land Brandenburg gehört die Legende von „Schweizer Vorfahren“ zum Teil der Familiengeschichte – darauf weisen schon Namen wie Garmatter, Durtschy, Lüthy, Suter oder Pfister hin. Wer aber vermutet dies bei Familiennamen wie Müller, Schneider, Moser, Scherler oder Hoffer? Vor allem im Ruppiner Land ist es durchaus möglich, dass man bei seinen Forschungen früher oder später auf Nachweise für die Verbindung zu Schweizer Kolonisten trifft.
Diese Seite soll mit Hinweisen auf Quellen in Literatur, Archiven und Datenbanken eine Hilfestellung zur Erforschung der Ansiedlung und Verbreitung der Kolonisten aus der Schweiz in Brandenburg ab 1685 geben. Anfragen zum Thema und zu einzelnen Familien können zudem an den Koordinator der Forschungsgruppe „Schweizer Kolonisten in Brandenburg“ der BGG Roter Adler, Aldo Hoffer, gerichtet werden.
Bild 1: Gedenkstein am Friedhof in Schulzendorf (2017) Foto: A. Hoffer | Bild 2: Gedenktafel an der Dorfkirche in Linow (2017) Foto: A. Hoffer |
Auswanderung und Ansiedlung
Die Geschichte der gezielten Anwerbung und Ansiedlung von Kolonisten aus der Schweiz in Brandenburg begann vor mehr als 325 Jahren. Nach dem Dreißigjährigen Krieg waren viele Landstriche in der Mark auf lange Zeit verwüstet. Der Kurfürst von Brandenburg suchte nach Kolonisten, um die Dörfer und Städte des Landes wieder zum Leben zu erwecken. Aus diesem Grund schickte er entsprechende Gesuche z. B. nach Bern, um interessierte Siedler zu werben. Neben dem Gewinn von Untertanen sah der Kurfürst auch konfessionelle Vorteile in der Anwerbung der Schweizer, weil diese wie er reformierten Glaubens waren. Die ersten vierzehn Schweizer Siedler erhielten 1685 im Golmer Bruch bei Potsdam ausgewähltes Land zugewiesen. Den Siedlern wurden dabei umfangreiche Privilegien zugestanden, die anfangs vererbt werden konnten. Weitere Kolonistendörfer mit Siedlern aus den Kantonen Bern und Zürich entstanden 1691/1692 im Ruppiner Land auf einzelnen Vorwerken und Wüstungen um Neuruppin, Rheinsberg und Lindow. Dazu gehören Vielitz, Glambeck, Storbeck, Schulzendorf, Lüdersdorf, Linow und Klosterheide. Auch im Raum Lehnin wurden Kolonisten angesiedelt. Ein Teil der Kolonisten wurde in bestehende Dorfgemeinden eingegliedert. Diese Form der Ansiedlung gestaltete sich jedoch auf Grund der Differenzen zwischen Einheimischen und Kolonisten oftmals schwieriger als in den reinen Kolonistendörfern. In den reformierten Kirchengemeinden der Schweizer durften zunächst nur Prediger aus der Schweiz ihren Amtsdienst ausüben. Viele der gewährten Vorrechte wurden später nach und nach aufgehoben. Mancher der Kolonisten zog auch zurück in die alte Heimat. Insgesamt wurden etwa 2200 Schweizer ins Land geholt.
Die Familien der Schweizer vergrößerten sich schnell und es mussten neue Hofstellen geschaffen werden. So verteilten sie sich auf weitere Orte oder neue Kolonistenstellen in Brandenburg. Einige der Kolonisten oder deren Söhne zogen um 1711 und den folgenden Jahren weiter nach Ostpreußen, später auch in die östlichen Gebiete im Oderbruch. In den Taufregistern des ostpreußischen Sadweitschen sind beispielsweise Taufen von Angehörigen der Kolonistenfamilien aus Nattwerder (Golmer Bruch) vermerkt.
Literatur zur Ansiedlungsgeschichte
Die Geschichte der Ansiedlung der Schweizer wurde in der Vergangenheit mehrfach und in unterschiedlicher Tiefe dargestellt. Zu den ersten detaillierten und umfassenden Veröffentlichungen in Deutschland gehören die in den 1930er Jahren erschienenen Beiträge von Erich Wentscher „Die Schweizer Kolonien in der Mark Brandenburg“1 sowie von Franz Moser „Die große Berner Auswanderung nach Brandenburg im Jahre 1691“2. Neueren Datums sind das sehr umfangreiche Buch von Matthias Asche „Neusiedler im verheerten Land – Die Mark Brandenburg nach den Kriegen des 17. Jahrhunderts“3 und von Ulrich Schmelz „Schweizer Kolonisten in der Kurmark Brandenburg im 17./18. Jahrhundert“4.
Einige Familienforscher haben ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht. Dazu gehören u. a. Waltraut Thurmann mit ihren Ausführungen zu Aschebach5 und Pfister6 in Hohenbruch oder Karl-Ernst Friederich zu Lüthy in Lüdersdorf (Altlüdersdorf) und Vielitz7. Besonders reichliches Material zum Thema „Schweizer Kolonisten in Brandenburg“ hat der in Forscherkreisen bekannte und hochgeschätzte, 2012 leider allzu früh verstorbene, Familienforscher Klaus Scherler in mühevoller und nahezu detektivischer Kleinarbeit gesammelt. Seine dazu erstellte, ausführliche Übersicht hat er jedoch leider nie veröffentlicht. In jahrzehntelangen Recherchen in Literatur, in Archiven sowie durch Abschrift und Auswertung einer Vielzahl von Kirchenbüchern der lutherischen und reformierten Gemeinden in Brandenburg und Berlin hat er einen umfangreichen Wegweiser über Literatur- und Datenquellen verfasst, der wichtige Hinweise zur Erforschung der Schweizer Kolonisten geben kann. Im Beitrag „Schweizer Kolonisten in Brandenburg – Vorstellung einer Datensammlung“ 8 beschrieb er seine Arbeitsweise und Hinweise auf mögliche Forschungshilfen. Seine Übersichten zu den Kirchenbucheinträgen sind in Form eines Quellenregisters angefertigt, geben also nicht den einzelnen Eintrag detailliert wieder, sondern nur die Fundstelle mit Ort, Jahr und Registerart. Für Archiveinträge hat er den Text komplett übernommen. Eine familiengeschichtliche Datenzusammenstellung, deren Bewertung und letztlich deren Zuordnung hat er zumeist dem Auswerter überlassen. Da seine Datensammlung nur im Privatbestand vorliegt, können Anfragen zu seinen Recherchezusammenstellungen nur in seinem Sinne individuell übermittelt werden.
Internetquellen
Bis vor kurzer Zeit blieb uns zur Erforschung unserer Vorfahren der Weg in die Archive und Pfarrämter nicht erspart. Heute besteht die Möglichkeit der Recherche im Internet. Wichtige Quellen sind dabei die digitalisierten Kirchenbücher und Standesamtsregister, die mittlerweile über unterschiedliche Plattformen kostenfrei oder kostenpflichtig zugänglich sind. Für das Forschungsgebiet der Schweizer Kolonisten sind die Brandenburgischen Kirchenbuchduplikate 1804–1874 besonders wichtig. Im Februar 2017 wurden die Kirchenbücher aus allen bernischen Kirchengemeinden durch das Staatsarchiv des Kantons Bern online zugänglich gemacht. Das Staatsarchiv St. Gallen stellt ebenfalls seine Kirchenbücher online zur Verfügung.
Historisches Gedenken – regionales Gedächtnis
Wie wird die Kenntnis um die Herkunft der Schweizer Kolonisten noch heute bewahrt? In der Vergangenheit wurden zu großen Jubiläen immer wieder kleine Veröffentlichungen geschrieben, welche an die historischen Vorgänge erinnern. Zudem lieferten Ortschronisten historische Aufarbeitungen u. a. zur Besiedlung des Golmer Bruchs9, insbesondere zu Nattwerder10, zu Storbeck11 und zu Schulzendorf12.
Nattwerder als erster Ansiedlungsort hat einen aktiven Verein „Schweizer Kolonistendorf Nattwerder“. Seiner Internetseite ist zu entnehmen, dass die rund 25 Mitglieder es sich zur Aufgabe gemacht haben, das geschichtliche und kulturelle Erbe des kleinen Kolonistendorfes in seiner Einmaligkeit zu bewahren. So wurden z. B. historische Grabstellen mühevoll restauriert und die alte Kirche saniert.
1991 fanden in mehreren Orten des Ruppiner Landes große Feierlichkeiten zum 300. Jahrestag der Schweizer Ansiedlung statt. In Schulzendorf wurde ein Gedenkstein aufgestellt (Bild 1). In Linow erinnert eine Gedenktafel am Eingang zur Kirche an die ersten Siedler (Bild 2).
Immer wieder wird auch bei Festumzügen an die Kolonisten erinnert, so z.B. in Vielitz 201413. 2016 wurde im Rahmen von Ortsfesten der Besiedlung durch Schweizer vor 325 Jahren gedacht. In Schulzendorf14 und Linow15 waren sogar Vertreter der Schweizer Botschaft anlässlich der Feierlichkeiten anwesend. Auch Storbeck feierte das 325-jährige Bestehen16. Die Brandenburgische Genealogische Gesellschaft „Roter Adler“ e.V (BGG) widmete sich ebenfalls 2016 beim „11. Regionaltreffen Brandenburg für Heimat und Familiengeschichtsforscher“ der Thematik durch ein Referat von Matthias Asche17.
1 Wentscher, Erich: Die Schweizer Kolonien in der Mark Brandenburg
in: Archiv für Sippenforschung 7 (1930), S. 238–244, 291–294, 388–391 und 429–432.
2 Moser, Franz: Die große Berner Auswanderung nach Brandenburg 1691
in: Archiv für Sippenforschung 5 (1937), S. 143f., 173–177 und 215–217.
3 Asche, Matthias: Neusiedler im verheerten Land. Aschendorf, Münster 2006
4 Schmelz, Ulrich: Schweizer Kolonisten in der Kurmark Brandenburg im 17./18. Jahrhundert
in: Kletzin, Birgit (Hg.): Fremde in Brandenburg. Münster u. a. 2003, S. 48–69.
5 Thurmann, Waltraut: Die Aschebachs aus Hohenbruch
in: Familienforschung in Mitteldeutschland 37 (1996), S. 332–335
6 Thurmann, Waltraut: Die Pfisters aus Hohenbruch
in: Familienforschung in Mitteldeutschland 38 (1997), S. 166–170
7 Friederich, Karl-Ernst: Die Schweizer Familie Lüthy in Brandenburg
in: Brandenburgische Genealogische Nachrichten 4 (2014), S. 180–182
8 Scherler, Klaus: Schweizer Kolonisten in Brandenburg – Vorstellung einer Datensammlung
in: Brandenburgische Genealogische Nachrichten 4 (2014), S. 46–65
9 Heese, Henning (Hrsg.): 300 Jahre Schweizer Kolonie am Golmischen Bruch bei Potsdam 1685–1985. St. Augustin 1985. Hierin Beiträge von Jochen Dortschy, Gerhard Heese-Golm und Alfred Hans Kuby
10 Bleyl, Dietmar (Hrsg.): 1685–2010 Nattwerder – 325 Jahre Besiedlung des Golmer Bruchs (1685–2010). Schweizer Kolonistendorf Nattwerder (2010)
11 Stirnemann, Heinz: Woselbst sie wohl aufgenommen – 300 Jahre Schweizer Kolonien in der Mark Brandenburg am Beispiel der Gemeinde Storbeck. Frankfurt am Main 1991
12 Dräger, Carsten: Schulzendorf 1691–1991. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Festschrift der Gemeinde Schulzendorf
13 Jahrbuch Ostprignitz-Ruppin 2016, Geschichte und Geschichten, Drebenstedt, Marga und Noll, Helmut: Vielitz – aus der Geschichte eines Bauerndorfes im Ruppiner Land, S. 130–155, hier S. 152–153
14 Hoher Besuch zum Dorffest in Schulzendorf: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1488355, Artikel vom 6. Juni 2016; abgerufen am 26. März 2017
15 Das ganze Dorf war auf den Beinen: http://www.moz.de/artikel-ansicht/dg/0/1/1510861, Artikel vom 28. August 2016; abgerufen am 26. März 2017
16 Storbecker feiern 325-jähriges Bestehen. http://www.maz-online.de/Lokales/Ostprignitz-Ruppin/Storbecker-feiern-325-jähriges-Bestehen, Artikel vom 12. Juni 2016; abgerufen am 26. März 2017
17 Bericht zum 11. Regionaltreffen Brandenburg für Heimat und Familiengeschichtsforscher. Brandenburgische Genealogische Nachrichten 5 (2016) S. 180ff. 12. Jahrgang, Ausgabe 3/2017, Band VI/Heft 3